Die Vorlagen: Kabinettsprotokolle, Kabinettsvorlagen, Aktenstücke
In Nordrhein-Westfalen wird jede Sitzung von einem Protokollführer festgehalten. Dieser bemüht sich seit der 2. Legislaturperiode um einen neutralen und fast stichpunktartigen Wortlaut, sodass aus den Verlaufsprotokollen seit dem Ende der 1. Legislaturperiode 1950 eher Ergebnisprotokolle wurden. Der Vorteil dieser Protokollierung ist, dass die Lesenden auf Basis von oder in Kombination mit der Tagesordnung schnell die gewünschten (Text-)Passagen finden können. Für Interessierte oder Forschende kann es allerdings zu Komplikationen führen, wenn Tagesordnungspunkte über mehrere Sitzungen vertagt werden und sich kein Anhaltspunkt dazu findet, warum die Entscheidungsfindung problematisch gewesen sein könnte.
Um die im Protokoll „fehlenden“ Inhalte besser nachvollziehen zu können, wurden Sachaktenstücke zu ausgewählten Themen herangezogen. Diese Aktenstücke können Kabinettvorlagen sein, die normalerweise als Beratungsgrundlage dienen; aber auch Briefe, Vermerke, Niederschriften von Besprechungen, Gutachten u. a. kommen in Frage. Eine Auswahl der genannten Unterlagen wurde den Kabinettsprotokollen von den Bearbeitenden an die Seite gestellt. Weitere können auf Anfrage im Landesarchiv Nordrhein-Westfalen eingesehen werden.
Die Textträger der Kabinettsprotokolle liegen im Bestand NW 30, NW 30 P und NW 30 BR vor. Ersterer – NW 30 – ist die Leithandschrift der vorliegenden Edition und wurde durch NW 30 P ergänzt, wenn Unklarheiten bestanden oder Unterlagen fehlten. Diese Eingriffe wurden entsprechend in Annotationen gekennzeichnet. Die Protokolle werden seit der 1. Sitzung fortlaufend durchnummeriert, ihre Signatur lautet seit der Zusammenführung der nordrhein-westfälischen Hauptstaatsarchive und deren Umbenennung zu „Landesarchiv Nordrhein-Westfalen“ im Jahr 2004 LAV NRW R NW 30 0001 ff. Zuvor fanden sich die Unterlagen unter HSA NW 30 0001 ff.
Die Kabinettsvorlagen finden sich ebenfalls in den NW 30-Beständen; die Aktenstücke hingegen stammen aus verschiedenen NW-Beständen und haben dementsprechend abweichende Signaturen.
Editionsrichtlinien
Seit 1992 wurden die ersten acht Legislaturperioden (1946 bis 1980) als Print-Edition in einem Doppelband je Legislaturperiode herausgegeben. Diese Bände enthalten neben den Typoskripten aller Sitzungen ausgewählte Aktenstücke und Kabinettsvorlagen, die das Zeitgeschehen nach Schwerpunkten darstellen. Zudem finden sich ein Vorwort, eine historische Einordnung, Angaben zur Edition sowie Bildmaterial zu den einzelnen Legislaturperioden. Da eine vollständige Wiedergabe aller Aktenstücke und Kabinettsvorlagen den Bearbeitungs- und Präsentationsrahmen überschritt, wurden einzelne Schwerpunkte durch die Edierenden gesetzt; diese Praxis wird auch bei den nachfolgenden Legislaturperioden beibehalten. Außerdem enthalten die Printeditionen in den Bänden 1, 6, 7 und 8 Angaben zu editorischen Richtlinien, die im Lauf der Zeit geringfügig modernisiert wurden.
Alle Bände enthalten eine (zeitgeschichtliche) Einleitung, die auch in der Online-Edition zu finden ist. Seit der 8. Legislaturperiode ist die Einleitung weniger umfangreich, zugleich nahm jedoch der Umfang der Annotationen im Zug einer Modernisierung der Edition erheblich zu.
Die Typoskripte der Kabinettsprotokolle werden in der originalen Fassung übernommen. Eine orthografische Anpassung an die derzeit gültige Rechtschreibung findet nicht statt. Offensichtliche Rechtschreibfehler werden allerdings stillschweigend korrigiert. Dazu gehören u. a. Buchstabendreher wie nciht statt nicht, falsch geschriebene Namen/Orte, etc. Sinnentstellende Fehler, wie bspw. ein falscher Sitzungsort, werden kenntlich gemacht. Die heterogene Wiedergabe von „Kabinettprotokolle“ und „Kabinettsprotokolle“ wurde zu Kabinettsprotokolle vereinheitlicht.
Auf die gesonderte Wiedergabe der Tagesordnung wurde verzichtet, da die Tagesordnungspunkte im Protokoll wiederholt werden. Die Tagesordnungspunkte wurden optisch hervorgehoben, die Beschlüsse stehen direkt darunter.
Da es sich bei den ausgewählten Protokollen um Verlaufsprotokolle in ihrer endgültigen Fassung handelt, gibt es so gut wie keine handschriftlichen Korrekturen; sofern das doch der Fall sein sollte, diese aber irrelevant sind, werden sie nicht wiedergegeben. Im Fall einer Wiedergabe erfolgt diese über eine Annotation. Der Zeilenfall der Vorlagen wird nicht beibehalten; die Struktur der Dokumente bleibt jedoch erhalten.
In der neuen Onlineedition werden die Daten der bereits 2017 veröffentlichten Kabinettsprotokolle der 1. bis 8. Legislaturperiode veröffentlich, zudem (2024) auch die neu erfasste 9. Legislaturperiode. Neben den Protokolltexten wird wie in allen bisherigen Veröffentlichungen eine Auswahl von Kabinettsvorlagen und Aktenstücken zu Schwerpunktthemen der Kabinettssitzungen ergänzt. Diese Schwerpunkte wurden und werden durch die Editorinnen und Editoren definiert. Es wird vorzugsweise die endgültige Fassung aller Typoskripte wiedergegeben.
Zu allen Ministerinnen und Ministern sowie wichtigen Persönlichkeiten werden Biogramme angeboten. Außerdem ein Literaturverzeichnis, in dem sich Hinweise auf weiterführende Literatur findet, sowie ein Abkürzungs- und Abbildungsverzeichnis.
Die im Print veröffentlichten Bilder sind kein Bestandteil der Onlineedition, allerdings gibt es eine Übersicher aller Kabinette inkl. Bilder.
Das Kabinett tagt seit 1946 in Düsseldorf, die Sitzungsorte haben allerdings – vor allem zwischen 1946 und 1950 – variiert: Üblicherweise tagte das Kabinett im Haus des Ministerpräsidenten, allerdings in Ausnahmefällen auch im Haus des Landtags oder an weiteren außerordentlichen Sitzungsorten, z. B. zu Gast in den Städten des Landes. Das Haus des Ministerpräsidenten war sowohl in der Harold- als auch der Elisabethstraße und wurde häufig nur mit „Haus des Ministerpräsidenten“, aber ohne Adresse, angegeben. Diese wurde durch die Editor*innen entsprechend ergänzt. Die Anwesenheitslisten mit den Namen der Teilnehmer*innen wurden in diesem Zuge weitestgehend vereinheitlicht.
Personalentscheidungen wie Beförderungen oder Pensionierungen ohne politische Relevanz sowie „Erörterungen rein personenbezogener Angelegenheiten ohne politische Bedeutung“ (KP LP 1; Einrichtung der Edition, S. 69) wurden ausgelassen und mit […] gekennzeichnet. Personalentscheidungen Personen politischer Relevanz, wie Staatssekretäre, Ministerialdirektoren, Chef der Staatskanzlei u. a., betreffend sind in der Edition zu finden.
Gleiches gilt für die Kabinettsvorlagen und Aktenstücke: Auch diese enthalten (fast) keine Varianten, es sind allerdings in einigen Fällen Kenntnisnahmen, Stempel oder Signaturen auf den Vorlagen und Aktenstücken vorhanden; diese werden von den Bearbeitenden vermerkt. Auch hier wurden offensichtliche sowie sinnentstellende Fehler stillschweigend korrigiert, Auffälligkeiten in Annotationen erläutert.
Gendern in der Edition
Bis 1985 saßen insgesamt nur zwei Ministerinnen in den Kabinetten: Christine Teusch 1947 bis 1954 und Inge Donnepp 1975 bis 1983. Die erste „Richtlinie zur Vermeidung sexistischen Sprachgebrauchs“ erschien 1980, und seit den 2010ern wird verstärkt auf gendergerechte oder genderneutrale Sprache geachtet. Daher kam und kommt es dazu, dass an verschiedenen Stellen in den Protokollen bis Ende der 9. Legislaturperiode 1985 das generische Maskulinum verwendet und die weiblichen Minister als „Frau Minister Teusch/Donnepp“, „Frau Kultusminister Teusch“ oder „Frau Justizminister Donnepp“ sowie in einigen Fällen auch als „Herr Kultusminister“ oder „Herr Justizminister“ bezeichnet wurden.
In der 10. Legislaturperiode (1985 bis 1990) wird Anke Brunn Ministerin für Wissenschaft und Forschung als „Frau Minister“ bezeichnet und erst ab der 11. Legislaturperiode (1990 bis 1995) gibt es mehr als eine Frau im Kabinett (Anke Brunn, Ilse Ridder-Melchers und Ilse Brusis). Seit Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes 2006 wird das geschlechtergerechte „Ministerin“ verwendet.
Die in den Vorlagen verwendeten Bezeichnungen wurden für die Edition von den Editorinnen und Editoren naturgemäß nicht verändert. In den erklärenden und ergänzenden Beigaben wird auf geschlechtergerechte Sprache geachtet. Die Einführungen der bereits veröffentlichten 1. bis 8. Legislaturperiode wurden nicht verändert, sodass in diesen noch der Wortlaut und die Formulierungen der jeweiligen Bearbeiter*innen zu finden sind.