Landesarchiv Nordrhein-Westfalen

Über die Edition

Über die Edition der Kabinettsprotokolle der Landesregierung Nordrhein-Westfalens.

„Kabinettsprotokolle sind Staatsdokumente von hohem Rang“, in welchen protokollarisch die Entscheidungen der Exekutive des Landes Nordrhein-Westfalen festgehalten werden. Sie bilden eine extrem wichtige Quelle der Arbeit der Landesregierung und sind die zentrale Quelle landesgeschichtlicher Forschung, da sie in authentischer Form die Willensbildung der Landesregierung dokumentieren. In den Protokollen „verdichten“ sich die für die Entwicklung des Landes prägenden Großthemen und Problemstellungen. Gleichzeitig werden in Verbindung mit weiteren Sachaktenstücken wie Kabinettvorlagen, Briefen etc. Lösungsansätze und Strategien erkennbar, die im Zentrum politischer Steuerung im Laufe der Jahre entwickelt wurden. [Schlemmer]

Die Kabinettsprotokolle bilden die Arbeit der Landesregierung bereits seit dem 1. August 1946 ab – unmittelbar vor der Gründung Nordrhein-Westfalens am 23. August 1946. Die zu diesem Zeitpunkt installierte Militärregierung (Großbritannien) des Landes Nordrhein-Westfalen begleitete das Einsetzen des ersten Ministerpräsidenten (Rudolf Amelunxen) sowie des ersten Kabinetts, um sich anschließend nach einer Phase der Überwachung im September 1949 (nach dem Erlass des sog. Besatzungsstatuts) aus der Landesregierung zurückzuziehen. Dementsprechend sind die frühen Protokolle und Aktenstücke von einer anderen Form, als es die späteren sind: Die Protokolle der 1. Legislaturperiode entsprachen strukturell eher Verlaufsprotokollen, in denen ein weniger förmlicher Ausdruck verwendet wurde, als es in den Protokollen seit der 2. Legislaturperiode der Fall ist, seit der Ergebnisprotokolle formuliert wurden, die sich nur noch auf den Inhalt der Sitzungen konzentrieren.

Im Lauf der folgenden Jahre wird der Stil der Protokolle ähnlich bleiben; von Legislaturperiode zu Legislaturperiode und Schreiber zu Schreiber gibt es zwar kleinere Individualitäten, die zu Grunde liegende Struktur der Dokumente bleibt jedoch gleich.

Die Protokolle bilden neben den nordrhein-westfälischen Themen zudem solche ab, die – seit der Gründung der Bundesrepublik 1949 – auf Bundesebene diskutiert wurden und für Nordrhein-Westfalen eine Rolle spielen; zudem natürlich Absprachen, Abkommen u. ä., die mit angrenzenden (Bundes)Ländern getroffen wurden.

Obwohl die behandelten Themen im Lauf der Jahre variierten, gibt es solche, die über mehrere Legislaturperioden und unter verschiedenen Regierungen behandelt wurden. Dazu gehören z. B. zu Beginn der Aufzeichnungen die Herausforderungen der Nachkriegszeit wie Wiederaufbau und Aufbau eines demokratischen Staatswesens, während in späteren Jahren Themen wie Kalter Krieg, Atomangst oder Umweltschutz in den Vordergrund rückten. Seit den späten 1970ern und verstärkt seit den 1980ern kamen Digitalisierung, Modernisierung der Bildung und neue Technologien hinzu.

Als DAS Bundesland der Montan-, Kohle- und Stahlindustrie spielten der Niedergang dieser, der Strukturwandel und (seit den 1970ern) die Modernisierung des Ruhrgebiets sowie die Umstrukturierung von Arbeitsplätzen über Jahrzehnte und bis in die Gegenwart eine Hauptrolle in der Landespolitik.

Die Themen und die Art, wie diese bearbeitet und bewertet wurden, sagen viel über die Funktionalität und Arbeitsweise der Landesregierung aus. In den Jahren direkt nach dem Krieg ging es – ganz basal – „nur“ um den Wiederaufbau und die Rückkehr zu einer funktionsfähigen Gesellschaft. Ab den 1950ern wurde Nordrhein-Westfalen überwiegend mit den Problemen im Ruhrgebiet und denen des generellen strukturellen Wandels konfrontiert, der forderte, eine zukunftsfähige Gesellschaft aufzubauen. Ab den späten 1970ern mussten beispielsweise mehr Schul-, Ausbildungs- und Arbeitsplätze geplant werden, da die „geburtenstarken Jahrgänge“ der 1960er in den Markt drängten.

Den jeweiligen Aufgaben widmeten sich die verschiedenen Regierungen auf unterschiedliche Art; jede von ihnen befasste sich mit den immerwährenden Themen Ruhrgebiet und Strukturwandel, zudem natürlich mit Themen wie Kultur, Bildung oder Sport, die – je nach Periode – eine gewichtigere oder untergeordnete Rolle spielten, jedoch nie nicht behandelt wurden.

Die Probleme, Aufgaben und Erfüllung dieser werden seit 1946 in den Kabinettsprotokollen festgehalten und der Gesellschaft zur Verfügung gestellt. Unabhängig von einer publizierten Edition auch durch Vor-Ort-Besichtigung im (Landes)Archiv. Jede*r Bürger*in hat die Möglichkeit, sich über die Regierungsarbeit zu informieren und Einsicht zu nehmen; eine wissenschaftliche Edition vereinfacht diese jedoch ungemein. Zudem stellt sie sicher, dass die Daten und Inhalte auch für zukünftige Generationen barrierefrei abrufbar sind. Die Protokolle und zugehörigen Aktenstücke, Gutachten, Korrespondenzen, Pläne etc. haben jedoch eine sehr hohen Umfang, so dass in der vorliegenden Edition neben allen Protokollen nur eine Auswahl weiterer Aktenstücke sowie eine knappe Übersicht über die Inhalte der jeweiligen Legislaturperiode geliefert werden konnten.

Historie der Edition(en)

Nachdem im Juli 1986 im Kabinett der Startschuss für die Veröffentlichung der zuvor als Verschlusssache eingestuften Kabinettsprotokolle der Landesregierung fiel, veröffentlicht das Landesarchiv Nordrhein-Westfalen (vormals als Veröffentlichungen der Staatlichen Archive des Landes Nordrhein-Westfalen) diese seit 1992 in einer wissenschaftlichen Printedition, die mit der Gründung Nordrhein-Westfalens im August 1946 beginnt. Jede Legislaturperiode wird als Doppelband verlegt.

Seit 2007 werden die Kabinettsprotokolle zusätzlich auch in einer Onlineedition veröffentlicht. Nach der Veröffentlichung der 8. Legislaturperiode 2016 entschloss man sich zu einer Überarbeitung und Modernisierung der digitalen Edition: Die Daten der Landesgeschichte sollten im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung langzeit- sowie im einheitlichen und (editionswissenschaftlich) standardisierten Format XML-TEI gesichert werden. Zudem muss die Arbeit an der (digitalen) Edition, die auf Grund ihrer Systematik zu keinem Zeitpunkt abgeschlossen sein wird, für unterschiedliche Bearbeitende intuitiv sein. Im Servicezentrum eSciences der Universität Trier hat das Landesarchiv NRW einen Partner gefunden, der diese Anforderungen erfüllt und mit seiner Expertise jederzeit hilfreich zur Seite steht.